Menschen der Hoffnung: die Sterndeuter (6.1.2025)
Bist Du schon einmal einem Stern gefolgt?
Einfach weggehen. Los. Alles hinter sich lassen. Und dem Stern folgen.
Aber so einfach ist das nicht.
Nach den Sternen navigieren kann man fast nur bei Nacht. Zwar eignet sich auch die Sonne, aber dann braucht es einen zweiten Anhaltspunkt. Nur in der Dunkelheit gehen die Sterne auf. Wer sich seinen Dunkelheiten stellt und es aushält, Nachtgedanken zu wagen, der findet auch seine Navigationspunkte.
Neblige Nächte eigenen sich schlecht zum Navigieren. Sterne sind nicht zu sehen oder eben nur verschwommen. Wer loswandert, ohne sich der Klarheit seines Weges, der Kraft seiner Schritte zu vergewissern, der kommt ins Schwanken und findet den Weg nicht. Los auf jedes Risiko verstellt den Weg. Beim Gehen „auf Sicht“ bleibt nichts Anderes als innezuhalten und sich langsam vorzutasten.
Navigation braucht Fixsterne, einen Standstern. Wandelsterne, die jeden Augenblick – wenn auch unbemerkt – den Standpunkt verschieben, eignen sich nicht für Navigationen. Es ist wichtig, Orientierung zu haben, Standpunkte, Menschen, die Halt geben. Auch wenn es sich paradox anfühlt: Um aufzubrechen, um den Weg zu beginnen, braucht es Festigkeit – Fixsterne.
Dann muss man den Horizont anpeilen. Sich der Weite des Herzens öffnen. Obwohl wir den Weg gerne als klare Richtung wissen wollen, müssen wir den Horizont anpeilen.
Der so angenommene Abstand vom Fixstern zum Horizont und die präzise Uhrzeit ermöglichen es, nach den Tabellen der Seekarten, den Standort zu bestimmen. Der ist Bedingung für beherztes Losziehen. Der erste Schritt braucht Selbststand. Das unterscheidet die gezielte Wanderung von einer ziellosen Flucht. Letztere ist das „Einfach nur weg“, ersteres ist der bewusste Aufbruch.
Dann wird nach dem Stern die Himmelsrichtung bestimmt, sozusagen das Kompasszifferblatt auf „Richtung Sehnsucht“ gedreht, und die zitternde Nadel des Herzensmagneten zeigt die Richtung.
Nach den Sternen wird erhobenen Hauptes navigiert.
Gegangen wird auf der Erde. Steine sind zu überspringen, Kurven des Weges sind einzukalkulieren. Der angepeilte Weg ist direkt und kurz, der echte Weg oft lang und mühselig.
Es braucht die Fähigkeit, sich selbst zu verzeihen und Irrwege zu erkennen und dann den Mut, von vorne zu beginnen: Stehenbleiben, einen Fixstern visieren, den Blick in die Weite wagen, die Richtung bestimmen und losgehen mit der Ahnung des Zieles im Herzen.
So ist Leben: Weg. Hoffnung. Stern. Horizont. Und mit der Geburt die Sehnsucht auf Nachhausekommen.
P. Abraham Fischer OSB