„Hoffnung – der kranke und sterbende Mensch als Lehrmeister“ 

Als Seelsorger im Krankenhaus habe ich es mit Menschen zu tun, die Krankheit erleben und die Sehnsucht nach Heilung verspüren. 

Aber auch mit Menschen, die tiefes Leid auszuhalten haben oder sich von der Idee verabschieden müssen, jemals wieder gesund zu werden und/oder damit konfrontiert werden, dass ihre Krankheit zum Versterben führen wird. Gerade solche Menschen erfahre ich immer wieder auch als meine Lehrmeister. Es gibt Menschen, die trotz großem Leid einen tiefen Frieden und eine Hoffnung bei aller medizinischen Hoffnungslosigkeit ausstrahlen und einen tiefen Glauben, dass am Ende immer das Leben wartet, diesseits oder jenseits. 

Diese wahrnehmbare innere Kraftquelle jener Menschen gründet oftmals in einer tiefen Beziehung zu Gott, der auch in ihrem konkreten Leid stützend und tröstend erfahren wird. Daran erkenne ich, dass Gott Gott ist und er immer eine Zukunftsperspektive eröffnet. Ich werde in solchen Begegnungen mit meiner eigenen Sterblichkeit konfrontiert und frage mich: 

Welche Hoffnung trägt mich auf meinen eigenen Tod hin? 

Das ist eine häufige Frage in der Klinik an mich und besonders jetzt in der Zeit auf Ostern hin. 

Br. Emmanuel Panchyrz OSB, Mönch der Abtei Königsmünster, Krankenseelsorger

Echtes Lachen und wahre Freude in schwierigen Zeiten 

Vor deinem Angesicht ist Freude in Fülle (Psalm 16,11) 

Lachen kann total ansteckend sein. In einer lustigen und heiteren Runde fängt einer an zu lachen und irgendwann machen die anderen mit. Aber die Fastenzeit verbinden viele Menschen eher nicht mit dem Lachen. Der Karneval ist schließlich vorbei. Da merke ich: Für mich gehören gerade echte Freude und das wahre Lachen zur Vorbereitung auf Ostern dazu. Nun gut, werden die denken, die mich kennen: Ich bin schließlich Kölner und feiere gerne Karneval, da ist es ja kein Wunder. Als Stimmtherapeut denke ich natürlich sofort darüber nach, was es eigentlich braucht, um ein echtes Lachen zu haben.   

„Muskel der Freude“ 

Dabei musste ich an Guillaume-Benjamin Duchenne denken, den französischen Psychologen des 19. Jahrhunderts, den „Meister des Lachens“ mit seinen ungewöhnlichen Studien. Ihm zu Ehren wird bis heute das echte Lachen als „Duchenne-Lachen“ bezeichnet.  Er erforschte den „Muskel der Freude“, der für das Lächeln zuständig ist. Die Mediziner nennen ihn heute Musculus zygomaticus major (Großer Jochbeinmuskel). Er entspringt am Jochbeinbogen und setzt dann am Mundwinkel an. So kann er die Mundwinkel nach oben und hinten ziehen. An diesem Muskel deuten wir bei unserem Gegenüber Freude und Wohlbefinden.  

Beim Lachen, Grinsen oder Schmunzeln wird diese Muskelgruppe nahezu von alleine angespannt und verleiht uns den typischen Gesichtsausdruck. Natürlich kann ich diesen Muskel auch willentlich ansteuern. Diese Ansteuerung ist aber häufig nicht so fein und differenziert, sodass im Zuschauer ein anderer Eindruck entsteht. Dann spricht man gerne von einem gekünstelten Lächeln.  

Echt oder gekünstelt 

Dafür scheint noch ein weiterer Muskel bedeutsam zu sein, der deshalb heute als der Gradmesser für die wirkliche Freude gilt, die auch von innen kommt. Das ist der äußere Teil des Augenringmuskels und bezeichnet damit das Gebiet oberhalb des Jochbeinmuskels und unterhalb unseres Auges. In diesem Bereich deuten wir die Unterschiede, denn der Augenringmuskel scheint sich schlechter allein willkürlich ohne ein freudiges Gefühl ansteuern zu lassen.  

Als im ich letzten Sommer für 14 Tage in der Abtei Mvimwa in Tansania sein durfte, bin ich vielen Menschen begegnet, die mich mit frohem Gesang begrüßt haben. Ich denke zum Beispiel an einen Abend, an dem uns P. Urbanus mit in die Pfarrgemeinde Kate genommen hat. Es ist ein Dorf, etwa eine halbe Autostunde von der Abtei entfernt, in der er als Pfarrer arbeitet. Die Fröhlichkeit dieser Menschen hat mich beeindruckt – schließlich sind die Lebenssituationen vieler Dorfbewohner aus unserer Sicht wirklich schwierig. Aber sie hatten offensichtlich genug Grund zu Freude und zum Lachen und nahmen uns mit Ihrer Musik und Ihrem Tanz hinein in ihre Freude.  

Gibt es dann ein vorösterliches Training für das Lachen und die Freude in diesen ja auch in Europa immer schwierigeren Zeiten? Zumindest lassen sich die beiden beteiligten Muskelgruppen durchaus trainieren und entspannen. Beispielsweise dadurch, dass man sie mit dem Finger in kreisenden Bewegungen massiert, dass man sie mit Wärme oder Kälte behandelt oder mit einer Creme und Gesichtsmaske einreibt.  

Lach doch mal!? 

Aber kommt wahre Freude nicht eher von innen? Und ein schönes Lächeln deshalb auch? Das finde ich auch eine spannende Frage. Das echte Lachen ist sicherlich mehr als nur ein optimales Spiel der Gesichtsmuskeln, gleichzeitig denke ich aber auch, dass bei angespannten Gesichtsmuskeln ein schönes und ansteckendes Lachen gar nicht gelingen kann – und auch die wahre Freude nicht wirklich durchkommt.  

Irgendwie scheinen meine afrikanischen Freunde es viel besser verstanden zu haben, ihre „Muskeln der Freude“ zu trainieren. Aber ich werde es mir in der Zeit vor Ostern vornehmen, damit die wahre Freude immer mehr durchbrechen kann… 

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Br. Karl-Leo Heller OSB, Cella St. Benedikt Hannover, Atem-, Sprech- und Stimmlehrer 

In diesen turbulenten und unsicheren Zeiten sind es immer wieder Menschen, die mir Hoffnung schenken.
Das sind Menschen, die mich schon sehr lange verlässlich auf meinem Lebensweg begleiten, aber auch Menschen, denen ich eher flüchtig begegne und die dabei einen kleinen Lichtstrahl in meinem Alltag hinterlassen. 
Davon möchte ich erzählen:
Mitte Februar fand im Abteiladen Olsberg eine Stempel-Aktion zur Menschenwürde statt. Jede Besucherin und jeder Besucher bekam die Möglichkeit, WÜRDE UNANTASTBAR in ein kleines Holztäfelchen zu brennen. Diese Idee ist inspiriert von den Königsfiguren des Holzbildhauers Ralf Knoblauch. Seine Skulpturen erzählen den Betrachtenden von der je eigenen und unverlierbaren Königswürde. Die König*innen stehen für die Einzigartigkeit einer jeden Person, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe, Religion.
Die Stempel-Aktion fand starke Resonanz bei unseren Kunden/innen und so entwickelten sich bei der Gestaltung der Täfelchen gute und anregende Gespräche, in denen wir einander in unserer Zuversicht für Menschenwürde bestärkten.  

Was noch lange im Gedächtnis bleiben wird, sind Begegnungen dieser Art: 
Da entwickelte sich aus einer abwehrenden und distanzierten Haltung nach und nach ein spürbares Interesse und eine sehr große Offenheit für die Botschaft der Aktion Würdetäfelchen:
Menschenwürde unantastbar. 

Ich entdecke in meinem Leben immer wieder ganz erstaunt solche kleinen Lichtsignale Gottes, unzählige winzige Signale, die Licht in mein Leben bringen, die mich tragen, stärken und mir Mut und Zuversicht schenken. 

In meinem Lieblings-Taizé-Lied finden sich diese Gedanken wieder: 

 Meine Hoffnung und meine Freude,
meine Stärke, mein Licht:
Christus meine Zuversicht,
auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht,
auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht.   

Jacques Berthier 

Eines dieser kleinen Signale sind auch die Schneeglöckchen, die nun – wie in jedem Jahr – dem Winter unerschütterlich trotzen und in meinem kleinen Garten und auch an so vielen andere Orten ein untrügliches Zeichen für Wärme, Licht, Hoffnung und den nahenden Frühling setzen.   

Brigitte Frings, Leiterin des Abteiladens Olsberg

Kundschafter  

Da zogen sie los, die Kundschafter,
in das gelobte Land.
Sahen das Land, seine Bewohner,
kosteten von den übergroßen Früchten
und bringen davon mit für das Volk.  

Zurückgekehrt, erzählen sie
von dem Land,
in dem „Milch und Honig fließen“.  

Kundschafter sein – Aufgabe auch für uns? 

Kundschafter – 

  • den Mut haben, aufzubrechen,
    in ein unbekanntes Land zu gehen. 
  • offene Ohren haben,
    offene Augen und einen wachen Geist. 
  • die Früchte sehen und davon kosten. 

Kundschafter – 

  • den Mut haben, zurückzukehren,
    zurück zu den Menschen des Alltags. 
  • weitersagen, was wir erlebten,
    erzählen von Menschen und Früchten.  
  • und den Mut zur Wahrheit nicht aufgeben,
    auch wenn man uns nicht glaubt. 

Lasst uns Kundschafter sein. 

(Guido Hügen OSB) 

Das Bild von Christina Kulot (zu Num 13,1-14,39) ist entstanden zu meiner Priesterweihe und Primiz. In ihnen zeigt sich die Hoffnung, die mich erfüllt. Es lohnt sich, immer wieder aufzubrechen – denn immer Neues gibt es zu entdecken mit offenen Ohren, Augen und Herzen. Es gibt die Enttäuschung, dass andere es nicht wahrhaben wollen. Aber wie Josua und Kaleb will ich von der Hoffnung erzählen. Und gehen. Oder mit den Worten von Kurt Marti: 

Wo kämen wir hin
wenn alle sagten
wo kämen wir hin
und keiner ginge
um zu sehen
wohin wir kämen
wenn wir gingen.  

Und wenn wir gehen, erkennen wir vielleicht, dass wie im Bild von Christina Kulot das Kreuz nicht ausgelassen ist, das Leid nicht ausgeklammert wird – aber ein lichtvoller Weg entsteht mit reichen Früchten.  

Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen,
der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.
(1 Petr 3,15) 

P. Guido Hügen OSB, Mönch der Abtei Königsmünster, Hochschulseelsorger und Supervisor

Was gibt mir Hoffnung? 

Der Unterschied zwischen der Unbeständigkeit des Menschen und der Treue Gottes gibt mir Hoffnung.  

Es gab eine Zeit, in der ich wegen der Unbeständigkeit des Menschen melancholisch war, weil ich keine vollkommene Umkehr und kein dauerhaftes Glück haben konnte.  

Aber in diesen Zeiten gibt mir der Charakter des Menschen Hoffnung, denn auch Unglück, Leid und Sünde sind nicht von Dauer.  

Durch diese Unbeständigkeit kann ich schwach sein, aber ich kann auch stark sein; ich kann Sünder sein, aber ich kann auch Kind Gottes sein; ich kann unglücklich sein, aber ich kann auch glücklich sein. 

Ich lasse mich nicht entmutigen, weil die Bosheit vergeht. 

Ich akzeptiere es einfach und warte darauf, dass es vorübergeht.  

In dieser unsicheren Wanderschaft ist die einzige Gewissheit der Herr.  

Wenn ich mich auf den treuen Herrn zubewege, gibt mir meine Unbeständigkeit eine andere Möglichkeit und eine andere Hoffnung. 

P. Aron Jang OSB, Mönch der Abtei Waegwan in Südkorea, ist Oberer der Gemeinschaft der Missionsbenediktiner auf Kuba.

 

Impuls zum Benediktsfest 2025 

Die Epoche, in der Benedikt von Nursia lebte, war eine große Zeitenwende. Frühere Ordnungen, die Halt und Orientierung boten, waren nur noch Erinnerung an ferne Tage von Sicherheit und Frieden, neue Strukturen für Ordnung und Stabilität waren nur in einzelnen und kleineren Bereichen greifbar, so auch in Benedikts Klostergründung, der er mit seiner Regel Ordnung und Struktur geben wollte.
Aus dem Erleben unserer eigenen Gegenwart wissen wir, was es heißt, in einer Zeitenwende zu leben, einer Zeit, die zwischen nicht-mehr und noch-nicht oszilliert. Das löst Verunsicherung, Ängste, Frustration, Gereiztheit, Polarisierungen aus.
In einer solchen Situation will Benedikt zu Beginn seiner Regel die Sehnsucht der Menschen wecken, wenn er die Frage aus Psalm 34,13 aufnimmt und ruft: „Wer ist der Mensch, der das Leben liebt und gute Tage zu sehen wünscht?“ (RB Prol 15).
In diesem Aufruf Benedikts klingt seine Hoffnung mit, die ihn durch die schweren Zeiten trägt, die Hoffnung, dass Christus gekommen ist, damit wir das Leben haben und es in Fülle haben (vgl. Jo 10,10). 

Der evangelische Theologe Heinz Zahrnt bringt die biblische Hoffnungs-Tradition so auf den Punkt: „Hoffnung als aktive Erwartung einer verheißenen, aber nicht garantierten Zukunft“.
Aktive Erwartung heißt, sich festzumachen an der Hoffnung, die Hoffnung zu leben wohlwissend, dass es keine Geling-Garantie gibt, dass ich Zukunft nicht machen kann. Dazu bedarf es des Vertrauens auf den, der uns Leben und Zukunft schenken will. Darum führt Benedikt im Kapitel „Werkzeuge der geistlichen Kunst“ auch folgendes „Werkzeug“ an: „Seine Hoffnung Gott anvertrauen“ (RB 4,41). Gott ist der Fels, an dem wir uns festmachen können. Er ist der Grund, der uns trägt und auf dem wir Leben wagen können.  

Am Ende seiner Regel konkretisiert Benedikt seine Hoffnung, indem er das Ziel benennt, zu dem uns der Aufruf zum Leben führen will: „Er (Christus) führe uns gemeinsam zum ewigen Leben“ (RB 71,12). Da klingt bei mir als Dortmunder gleich das Lied mit: „You’ll never walk alone“. Und genau das feiern wir heute gemeinsam als Mönchsgemeinschaft, mit dem Freundeskreis der Abtei, unseren Oblaten und Oblatinnen und all den Menschen, mit denen wir uns verbunden fühlen auf dem Weg unter der Führung des Evangeliums zum ewigen Leben. Das ist die Hoffnung, die uns trägt. 

Abt Cosmas Hoffmann OSB, Abt der Abtei Königsmünster

Alles beginnt mit der Sehnsucht… (Nelly Sachs) 

Benedikt sagt: Mit geistlicher Sehnsucht………….. erwarte er, der Mönch, die Nonne, der Christ, das heilige Osterfest. (RB49,7) Sehnsucht ist ein Aspekt von Hoffnung! 

Sehnsucht! Mit diesem Wort drücken wir etwas ganz Wesentliches von uns aus. In jedem von uns lebt eine Sehnsucht, ein leidenschaftliches Begehren nach etwas, ein Hungern und Dürsten nach Erfüllung, nach Lieben und geliebt werden. Eine Sehnsucht kann den Sehnsüchtigen so ergreifen, dass es ihn „siech“ , süchtig macht (Sehnsucht kommt von „siechen“, nicht von suchen).  Augustinus sagt von der Sehnsucht: „Sie gibt dem Herzen Tiefe,“ desiderium sinus cordis. Also wehe dem, der keine Sehnsucht hat. Für Ignatius ist die Sehnsucht so wichtig, dass er bei der Aufnahme eines Kandidaten die Frage gestellt haben will, ob er eine Sehnsucht, ein Verlangen (desiderium) verspürt, dem gekreuzigten Herrn mit allen Konsequenzen nachzufolgen. Wenn der Kandidat eingesteht, diese Sehnsucht nur wenig oder gar nicht in sich zu verspüren, so soll man ihn fragen, ob er wenigstens eine Sehnsucht nach der Sehnsucht in sich verspüre, Gott zu lieben und ihm nachzufolgen. Das sei dann schon genug. Der französische Psychotherapeut, Jaques Lacan, definiert aufgrund seiner Praxiserfahrung das Wesen des Menschen mit „désir“ – Sehnsucht. Wenn wir nun schauen, was für Sehnsüchte uns täglich umtreiben, müssen wir uns eingestehen, dass sie sich nicht immer direkt gleich auf so Erhabenes richten, wie das Osterfest. Manchmal sind es eher Alltagssehnsüchte, wie zum Beispiel Ausschlafen, ein gutes Essen, Zeit verbringen mit Freunden, eine Erkenntnis gewinnen in einem Problem, Urlaubssehnsüchte, Sehnsucht nach Nähe und Geborgenheit. Das ist alles nichts Schlechtes. Diese Wünsche gehören zu unserer Natur als Menschen. Und genau diese kleinen Sehnsüchte helfen uns auf dem Weg zu unserer großen Sehnsucht. Sie helfen uns paradoxerweise nicht, wenn wir sie uns immer wieder bis zur Sättigung oder im Übermaß erfüllen, sondern wenn wir ganz bewusst und aus freien Stücken um eines höheren Gutes willen einen Verzicht setzen. Damit nähren wir in uns eine größere Sehnsucht, verdichten sie durch den Verzicht und gelangen zu einer inneren Freude, die wir nicht machen können, sondern die der Heilige Geist schenkt. Denn es geht nicht um die Freude, besser zu sein als andere, oder stolz sein zu können auf unsere Leistung, sondern darum, Gott unsere Liebe zu zeigen. (offerat Deo) Wir nähren unsere Sehnsucht und wir leben mit ihr. Wir machen allerdings im Laufe des Klosterlebens oder des Lebens überhaupt die Erfahrung, dass sie ungestillt bleibt und wohl auch unstillbar ist. Nur Gott wird sie einmal wirklich stillen können, und in manchen Momenten des Glücks oder der Freude ahnen wir, was das heißen kann. Gefragt ist unsere Treue zu dieser unserer Sehnsucht. 

Christine Busta 

Treue zur Sehnsucht 

Ich glaube, dass jeder Mensch 

mit einer unerfüllten Sehnsucht  

von dieser Erde scheidet 

 

Aber ich glaube auch, 

dass die Treue zu dieser Sehnsucht 

die Erfüllung unseres Lebens ist.     

Sr. Francesca Redelberger OSB, geb. 1960, Profess 1986 in der Benediktinerinnenabtei St. Hildegard Eibingen, leitet dort den Gastbereich, engagiert sich sehr in der geistlichen Begleitung und Kursarbeit und ist in die Ausbildung der Noviziatsmitschwestern eingebunden.

Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen. (Mt 1,19) 

Mitten in dieser Fastenzeit wird uns der hl. Josef als Mensch der Hoffnung vor Augen gestellt. Von ihm wird im Evangelium nicht viel erzählt – aber das Wenige sagt uns, wie wichtig sein Platz in der Heilsgeschichte war.  

Maria ist in einer wahrhaft hoffnungslosen Situation. Sie war mit Josef verlobt, und dann heißt es im Text: „Noch bevor sie in der Ehe zusammenlebten, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete.“ Das konnte durchaus ihr sicheres Todesurteil bedeuten. Wenn die Leute erst anfangen zu reden, ist schnell kein Halten mehr, bis die ersten Steine fliegen. Auch der Zusatz „durch das Wirken des Heiligen Geistes“ macht es nicht besser. Denn was heißt das schon? Das ist alles schwer greifbar. 

Mitten in dieser für Maria hoffnungslosen Situation ist es Josef, der ihr wieder Hoffnung schenkt, eine neue Lebensperspektive aufzeigt. Er ist ein „Gerechter“ – kein Selbstgerechter, der nur um der eigenen Bestätigung willen den Stab über andere bricht. Seine Gerechtigkeit zeigt sich in seiner Barmherzigkeit: Er will einen Skandal vermeiden, will Maria nicht dem Mob ausliefern, sondern sich lediglich in aller Stille von ihr trennen.  

Und schließlich ist Josef jemand, der es wagt, auf seine Träume zu hören. Auf die Stimme des Engels im Traum hin geht er noch einen Schritt weiter und nimmt das nicht von ihm gezeugte Kind an – und ebenso seine Frau. Die Geschichte unserer Erlösung und unserer Hoffnung kann weitergehen. So ist es gerade Josef, dieser stille Heilige, der wie selbstverständlich das tut, was gerade dran ist, der mir Hoffnung macht für unsere Welt. Solange es Menschen gibt wie Josef, ist unsere Welt nicht verloren. 

P. Maurus Runge OSB, Missionsprokurator und Öffentlichkeitsreferent der Abtei Königsmünster

Hoffnung ist die aktive Erwartung, dass Gott die Welt heilen und verwandeln wird. Hoffnung bedeutet nicht die Leugnung von Leid oder Ungerechtigkeit, und sie bedeutet auch nicht, dass der Mensch in der Lage ist, die Schöpfung ohne Gottes gnädige Bevollmächtigung zu heilen. Vielmehr gründet sich die Hoffnung auf das, was Gott für die Zukunft versprochen hat, und sie ruft uns auf, diese Verheißungen durch Taten der Heilung und Gerechtigkeit in der Gegenwart zu bezeugen. Wenn wir versucht sind, wegen all dem, was wir in der Gegenwart sehen, den Mut zu verlieren, sind wir aufgerufen, uns an die Zukunft zu erinnern, die Gott verheißen hat, und in Hoffnung vorwärts zu gehen.  

Jürgen Moltmann 

Gott sei Dank für diese von Jürgen Moltmann angebotene Perspektive! Ich brauche diese zukunftsorientierte Perspektive, um nicht in der Verzweiflung der aktuellen Realitäten in meinem eigenen Land (ich komme aus den USA) und in unserer Welt stecken zu bleiben. Ich bin und kann hoffnungsvoll sein, nicht in einer naiven oder realitätsverleugnenden Weise, sondern im Glauben an Gottes Verheißungen.  

Ich weiß, dass der Frühling kommen wird, trotz des Schnees und des Eises von heute.  Ich weiß, dass der Morgen kommen wird, egal wie dunkel die Nacht ist.  Ich bin mir sicher, dass es in dieser Welt gute Menschen gibt, deren Liebe den Hass überwiegen kann, der an viel zu vielen Orten und unter zu vielen Umständen zu beobachten ist.  Ich habe diese Liebe bei denen gesehen, die sich um die Not derer kümmern, die sich in einer scheinbar hoffnungslosen Lage befinden, und sich bemühen, sie zu verbessern.  

Die Poesie hilft mir oft, eine neue Perspektive einzunehmen.  Dieser Auszug aus einem Gedicht mit dem Titel „Violet“ von Edwina Gately bietet eine solche hoffnungsvolle Perspektive: 

Ich sah am Rande der Autobahn,  

wie aus einem winzigen Spalt 

in der großen Betonplatte 

ein winziges goldenes Veilchen lugte, 

das auf wundersame Weise winkte 

und mich anlächelte –  

trotz der Umweltverschmutzung und dem tosenden Verkehr 

mit einem herrlichen Schauspiel  

zerbrechlicher Schönheit. 

Gott – er erinnert mich an die Auferstehung. 

Und an Hoffnung. 

(aus dem Gedichtband Soul Whispers von Edwina Gately) 

Wer sind die Veilchen, die in unserem Leben durch den Beton lugen?  Wer und was erinnert uns daran, über das Offensichtliche hinaus auf die Verheißungen Gottes zu schauen? In dieser Phase meines Lebens weiß ich um das Leben und das Zeugnis der Benediktineräbtissin Klara Swiderska und ihrer Schwestern in Zhytomyr in der Ukraine, die mehr als drei Jahre Krieg in ihrem Land ertragen mussten, die aus erster Hand und durch Berichte wissen, dass viele gefoltert, verstümmelt und getötet wurden – wie können sie inmitten von so viel Hass und Zerstörung, so unmenschlichen und ungerechten Handlungen hoffen?  Wo sind die Veilchen, die für sie durch den Beton lugen? 

Nach Kriegsbeginn schrieb eine der Schwestern des Klosters Zhytomyr auf die Aufforderung hin, etwas über das Glaubensleben in Kriegszeiten zu schreiben, über ihr Leben aus der Perspektive des Glaubens an die Auferstehung im Angesicht von Krieg und Tod. Sie sagte, dass „jeder Krieg wie ein langer Karfreitag ist“. Sie verglich ihr tägliches Leben mit den Stationen des Kreuzwegs. Sie schrieb, dass es schwierig war, angesichts des Krieges, des sinnlosen Tötens und der Tragödie weiter zu beten.  „Wie konnten wir im Gebet ausharren? Trotz des Gefühls der Verzweiflung und der Schreie des Unverständnisses… trotz der Sirenen und der Luftangriffe, trotz des Unwissens über den nächsten Moment, wie durch Trägheit, setzten wir das gemeinsame Stundengebet fort und merkten später, wie dieses Gebet uns hielt. Es gab uns innere Kraft und ein Gefühl des Friedens.“ 

Wenn diese ukrainischen Nonnen, während Bombensirenen ertönen und die ohrenbetäubenden Geräusche der Zerstörung in ihren Ohren widerhallen, ihren Weg zum Gebet finden können, in der Tradition der Kirche im Stundengebet, dann kann ich sicher auch unter viel weniger offensichtlich verzweifelten Umständen dem Gebet in meinem eigenen Kloster treu bleiben. Das Zeugnis dieser Benediktinerinnen in der Ukraine hilft mir, eine gesunde Perspektive für mein eigenes Leben zu finden.  Welche Kreuzwegstationen es auch immer in meinem Leben und in meinem Umfeld gibt, wir können treu weitergehen, im Glauben, dass Jesus, das Ostergeheimnis, uns in die Verheißung der Auferstehung hindurchführt. 

Sr. Lynn McKenzie OSB stammt aus dem Herz-Jesu-Kloster in Cullman, Alabama, USA. Sie leitet die Kongregation der Benediktinerinnen von St. Scholastika (USA) und ist Koordinatorin der Communio Internationalis Benedictinarum (CIB), der Vereinigung aller Benediktinerinnenklöster weltweit.

Wenn ich rufe, gib mir Antwort,
du Gott, der für mich Recht schafft.
Du hast mir Raum geschaffen in der Bedrängnis,
sei mir gnädig und höre mein Beten.
(Ps. 4, 2a) 

Was gibt mir Hoffnung? 

Hoffnungsfroh durchs Leben zu gehen, fällt mir zunehmend schwerer – vielleicht liegt es an den großen Problemen und Bedrohungen, vielleicht am Älterwerden und den damit einhergehenden Beschwernissen, vielleicht an dem, was man gemeinhin „Lebenserfahrung“ nennt?
Bei den Vorbereitungen für unser regelmäßiges Friedensgebet bin ich irgendwann auf das Lied „Hoffen wider alle Hoffnung“1 gestoßen, das Heinz Martin Lonquich (1937 – 2014) 1988 geschrieben hat: 

  1. Hoffen wider alle Hoffnung,  glauben, dass es dennoch weiter geht. Lieben, wo es beinah’ nicht mehr möglich ist, damit die Welt auch morgen noch besteht.
  2. Fühlen, wo Gefühle sterben, Licht sehn, da wo alles dunkel scheint. Handeln, anstatt tatenlos zu trauern, trösten auch den, der ohne Tränen weint.
  3. Wach sein, Zeichen klar erkennen, helfen trotz der eigenen großen Not. Aufstehn gegen Unrecht, Mord und Lüge, nicht einfach schweigen, wo die Welt bedroht. 
  4. Trauen dem, der uns gesagt hat: „Seht doch, ich bin bei euch alle Zeit.“ Mit uns ist er auch in unserem Suchen, bis wir ihn schauen im Licht der Ewigkeit. 

Gibt das Hoffnung? 
Es scheint, als sei dieses Lied aus einem starken Glauben und Vertrauen geschrieben. Das ist zugleich bewundernswert und herausfordernd. Habe ich auch solches Vertrauen, solchen Glauben? Ist Hoffnung nicht wieder etwas, das Kraft und Einsatz kostet, ja Überwindung? Und muss ich dann schon wieder aktiv sein? Bin ich nicht viel eher wie Elia, der sich erschöpft und frustriert unter den Ginsterstrauch setzt: Gott, ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr [1 Könige 19]? Das darf offenbar sein. Zweimal muss der Engel kommen und sagen „Steh auf und iss! Sonst ist der Weg zu weit für dich“. Er kommt, weil Gott überall hin nachgeht, selbst, wenn ich das weder merke noch glauben kann, glauben will. Trauen dem, der uns gesagt hat: „Seht doch, ich bin bei euch alle Zeit.“ Ist das nicht naiv in Zeiten wie diesen? Der Versuch ist es wert, auch wenn es Kraft erfordert, sich am Morgen in den Garten zu begeben, dumpf, verweint, entmutigt – sich beim Namen rufen zu lassen – und sich umzuwenden: Rabbuni 

Nicht müde werden,
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten.
(Hilde Domin) 

 

Olaf Litwiakow, Gast der OASE