Kapitelstagebuch
Zur Zeit sind Abt Cosmas und P. Maurus beim Generalkapitel der Missionsbenediktiner in der Abtei Waegwan in Südkorea. An dieser Stelle wird P. Maurus in einem kleinen Blog aus Korea berichten.
Mittwoch, 22.01.2025
„Das 23. Generalkapitel der Missionsbenediktiner ist offiziell beendet.“ Mit diesen Worten schloss Abtpräses Javier heute gegen 10.00 Uhr die letzte Sitzung des Kapitels ab. Vorher wurde noch der Rezess verabschiedet, sozusagen die Dokumentation des Generalkapitels, in der alle Beschlüsse, Diskussionen, Wahlen etc. verzeichnet sind. Ebenso gab es die Gelegenheit, in anonymisierter Weise einen Feedbackbogen auszufüllen. Das ist vor allem für die Vorbereitung des nächsten Generalkapitels wichtig, das nach dem Äbtekongress im Oktober 2028 stattfinden wird. In großer Übereinstimmung wurde vor allem die überwältigende Gastfreundschaft der Mitbrüder der Abtei Waegwan gewürdigt, die keine Kosten und Mühen gescheut haben, den Kapitelsteilnehmern den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.
Um 11.00 Uhr feierte Abt Javier, assistiert von Abt Pambo aus Mvimwa und Prior Samuel aus der amerikanischen Abtei Newton, die Schlussmesse mit uns. Hier war Gelegenheit, Gott zu danken für ein wirklich gelungenes Generalkapitel. Abt Javier bezog die letzten Worte jeder Heiligen Messe – „Ite, missa est“ – auf die Teilnehmenden des Kapitels: „Geht hin, ihr seid gesandt!“ Es liegt an allen Delegierten, das, was sie während des Generalkapitels erfahren haben, in ihre Gemeinschaften zu bringen.
Der Nachmittag ist dann frei – bis auf den neuen Kongregationsrat, der sich zu seiner konstituierenden Sitzung trifft. Am Abend wird dann miteinander der Abschluss gefeiert. Allerdings geht es für die ersten morgen schon wieder in aller Frühe um 4.30 Uhr Richtung Flughafen, um in ihre Heimatländer zurückzukehren. Abt Cosmas und ich sind in der Gruppe, die morgen um 7.00 Uhr aufbricht und noch unsere Gemeinschaft in Namyangju bei Seoul besucht und einen Abstecher an die innerkoreanische Grenze macht. Wir beide werden dann am Freitag zurückfliegen, Abt Cosmas mit einem Abstecher nach Taiwan, wo er in Sachen interreligiöser Dialog unterwegs ist. Damit endet dann auch dieses Kapitelstagebuch – zumindest bis zum nächsten Generalkapitel im Jahr 2028…
Dienstag, 21.01.2025
Das Generalkapitel nähert sich seinem Ende. Heute war der letzte volle Arbeitstag. Zunächst gab es für die Teilnehmer des Kapitels einige Informationen zu den neuesten Entwicklungen der jüngsten Gründungen der Missionsbenediktiner, die noch nicht unabhängig sind, wo also der Abtpräses als Höherer Oberer fungiert. Es sind Gemeinschaften in Katibunga/Sambia, Mécua/Mosambik, Ägypten und Kuba. Die Gemeinschaft von Mécua/Mosambik ist insofern besonders, weil die Initiative zur Gründung von einem unserer afrikanischen Klöster, der Abtei Ndanda in Tansania, ausging. In Kuba entwickeln sich die Dinge langsam, aber stetig; zurzeit wird das Kloster für die junge Gemeinschaft gebaut. Da die Mönche dort bis jetzt in Containern leben, wird dieses Kloster mit einigen Gästezimmern eine echte Erleichterung sein. Es war eine gute Sache, von den Entwicklungen unserer dynamischen, jungen Gemeinschaften aus erster Hand berichtet zu bekommen.
Der Nachmittag stand im Zeichen von einigen Wahlen. So wurden die sog. Offizialen und der Kongregationsrat gewählt, die Abt Javier in der Leitung unterstützen werden. Zwei Höhere Obere wurden als seine Stellvertreter gewählt: Abt Michael Reepen von der Abtei Münsterschwarzach und Abt Blasio Park von der gastgebenden Abtei Waegwan. Zum Kongregationsrat gehören von Amts wegen der Missionsprokurator der Kongregation, quasi der Nachfolger von Abt Javier, der noch nicht feststeht, und der Kongregationssekretär, P. Basil Barasa aus der kenianischen Abtei Tigoni. Sie werden vom Abtpräses ernannt und vom Generalkapitel bestätigt. Anschließend wurden fünf weitere Mitglieder in den Kongregationsrat gewählt: Abt Emmanuel Rutz aus Uznach/Schweiz, P. Noach Heckel aus Münsterschwarzach, Abt Pambo Mkorwe von Mvimwa/Tansania, Abt Christian Temu von Ndanda/Tansania und P. Pachomio Choe vom koreanischen Priorat Namyangju bei Seoul.
In die Kapitelskommission, die für die Vorbereitung und Durchführung des nächsten Generalkapitels verantwortlich ist, wurde neben Br. Immanuel Lupardi von St. Ottilien die gesamte Delegation aus Meschede, Abt Cosmas und P. Maurus, gewählt.
Morgen vormittag endet dann das 23. Generalkapitel mit der Verlesung des sog. Rezesses, der Dokumentation aller Beschlüsse und Ereignisse dieser Tage. Anschließend findet um 11.00 Uhr die Abschlussmesse statt. Der neugewählte Kongregationsrat trifft sich dann zum ersten Mal morgen Nachmittag, und am Abend wird dann miteinander gefeiert, bevor es am Donnerstag wieder an die Abreise geht – mit vielen Eindrücken reicher.
Montag, 20.01.2025
Nach einem Wochenende voller außergewöhnlicher Ereignisse tat es gut, heute mit der alltäglichen Arbeit eines Generalkapitels weiterzumachen. Ein wichtiger Punkt sind dabei immer Berichte aus den einzelnen Gemeinschaften, damit alle von den verschiedenen Lebenssituationen in den verschiedenen Ländern und Klöstern wissen. Da für einzelne Berichte bei diesem außerordentlichen Kapitel wenig Zeit ist, hat man sich dazu entschieden, heute den Regionen besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Das Leben der Missionsbenediktiner ist dezentral organisiert – es gibt keine zentrale Figur, wie es z.B. der Ordensgeneral bei den Jesuiten oder Franziskanern ist. In Benediktinerklöstern liegt die Organisation bei der einzelnen Gemeinschaft und ihrer Leitung. Der Abtpräses hat eine eher repräsentative Funktion, er ist ein Brückenbauer zwischen den Gemeinschaften und begleitet vor allem Gemeinschaften in diversen Problemsituationen. In den einzelnen Regionen (Afrika, Europa, Asien, Lateinamerika/Karibik) spielt sich das Leben ab. Und so stand der heutige Vormittag im Zeichen der Regionen. Zunächst trafen sich die Vertreter der vier Regionen in Kleingruppen, um über die vergangenen Jahre zu reflektieren: Struktur, Treffen, Herausforderungen. Jede Region sollte je drei Schwerpunkte ihrer Arbeit benennen und ins Plenum bringen. Im Plenum kamen dann in einer Art Interview drei Vertreter der jeweiligen Region zu Wort, die die Diskussionen in der Gruppe zusammenfassten. Anschließend erzählte ein Vertreter von außen, ein externer Beobachter einer anderen Region, seine Sichtweise. In einem dritten Schritt wurde der Raum für Fragen aus dem Plenum geöffnet. So bot sich ein buntes Bild unserer vielfältigen Kongregation: Wir hörten von einer unglaublichen Vitalität unserer afrikanischen Klöster mit vielen Berufungen, von schwindenden Ressourcen der europäischen Gemeinschaften, vom Versuch, internationale Gemeinschaften aufzubauen, von der sprachlichen und kulturellen Vielfalt der asiatischen Region mit Klöstern in Südkorea, China, Indien und den Philippinen und von kleinen Gemeinschaften in Kolumbien, Venezuela und auf Kuba, die mit politischen Herausforderungen in ihren Ländern konfrontiert sind. Wichtig in all dieser Vielfalt ist, dass die Kongregation der Missionsbenediktiner eins bleibt in ihren Bemühungen, Christus nachzufolgen und den Menschen die Liebe Gottes zu verkünden. Diese Einheit in Vielfalt wurde heute für mich in den einzelnen Beiträgen spürbar und welch immenser Reichtum es ist, solch einer im wahrsten Sinn des Wortes bunten Kongregation anzugehören!
Das Generalkapitel als höchstes gesetzgebende Versammlung der Missionsbenediktiner schaut sich auch regelmäßig die Konstitutionen, das Eigenrecht, an, um hier evtl. Änderungen vorzunehmen, die sich z.B. aus Änderungen im universalen Kirchenrecht ergeben. Das stand am Nachmittag auf dem Programm, wo es um rechtliche Anpassungen im Besitzrecht der Klöster ging, die sich aus neuen vatikanischen Dokumenten ergeben. Eine recht trockene juristische Angelegenheit, durch die wir aber kompetent von P. Noach, unserem Rechtsexperten, geführt wurden.
Im Anschluss ging es nochmals in die Regionalgruppen, wo es um das wichtige Thema von Ökologie und nachhaltigem Wirtschaften ging. Die Bewahrung der Schöpfung geht ja alle unsere Gemeinschaften an, und da sind alle mit vielen Maßnahmen im Bereich erneuerbare Energien, Aufforstung etc. auf dem Weg. Wichtig ist dabei – und das wurde im Plenum klar – ein Bewusstsein in unseren Gemeinschaften, aber auch in unseren Nachbarschaften für die ökologische Frage zu schaffen, von der das Überleben unseres Planeten abhängt. Das Thema der Ökologie ist vor allem eines, das in den Regionen bearbeitet wird, denn hier geht es um konkrete Maßnahmen vor Ort zur Bewahrung der Schöpfung.
Sonntag, 19.01.2025 – Tag der Abtsbenediktion
Am heutigen Sonntag fanden keine Sitzungen statt. Der Tag stand ganz im Zeichen der Benediktion, der Segnung unseres neuen Abtpräses Javier. Die Abtsbenediktion fand um 16.00 Uhr Ortszeit in der Abteikirche von Waegwan statt. Bischof Kim aus der Diözese Gwangju stand der Eucharistiefeier vor, an der neben den Teilnehmern des Generalkapitels und der Gemeinschaft von Waegwan auch die Schwestern des Priorates Daegu und die Oblatengemeinschaft der Abtei teilnahmen. Abtprimas Jeremias hielt die Predigt und dankte in sehr persönlichen Worten dem neuen Präses für seine Freundschaft. Er ermutigte ihn, ein wirklicher Vater für seine Brüder zu sein. Während der Benediktion erhielt Abt Javier die Insignien seines Amtes, Mitra und Hirtenstab. Am Ende der Feier betonte er in seinen Dankesworten, dass jede Gemeinschaft der Missionsbenediktiner einzigartig und wichtig sei. Mit jeder Gemeinschaft wolle er so zusammenarbeiten, dass der Auftrag der Missionsbenediktiner überall auf gute Weise erfüllt werden kann.
Ich möchte diesen Eintrag so beenden, wie es Abt Christian von Ndanda in seinem Tagesbericht an die Gemeinschaften getan hat: „Noch einmal, Abtpräses Javier: Hab Mut! Die Kongregation steht hinter Dir. Mögest Du durch den Glauben und das Engagement Deiner Mitbrüder ermutigt werden!“
Samstag, 18.01.2025 – Wahltag
HABEMUS ABBATEM! Mit Freude dürfen wir mitteilen, dass das 23. Generalkapitel der Missionsbenediktiner von St. Ottilien am 18.Januar 2025 P. Javier Aparicio Suárez OSB in der Abtei Waegwan in Südkorea zum Abtpräses gewählt hat. P. Javier wurde 1969 in Valladolid/Spanien geboren und legte seine Ordensgelübde am 20. August 1988 ab. Zum Priester wurde er am 23.07.1994 geweiht. Seine Stabilität übertrug er am 21.3.2004 nach St. Ottilien. Von 2010 bis 2021 war er Oberer des Pilgerklosters in Rabanal del Camino auf dem Jakobsweg. Seit 2021 war er als Missionsprokurator der Kongregation in der Leitung in St. Ottilien tätig und hat im Laufe dieser Jahre die Projekte der Klöster in Afrika, Asien und Lateinamerika koordiniert.
Nach der Wahl verkündeten die Glocken der Abtei Waegwan das freudige Ereignis, und alle Teilnehmer des Generalkapitels zogen feierlich in die Kirche ein, wo Abt Javier der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Wir sangen das feierliche Te Deum, und jeder tauschte mit dem Neugewählten den Friedensgruß aus. Dann richtete Abt Javier einige Dankesworte an die in der Kirche Versammelten, speziell an die Mitbrüder in Waegwan für ihre Gastfreundschaft. Er bezog sich auf ein Wort seines Landsmanns Ignatius von Loyola, alle Menschen in Christus zu lieben und ihnen zu dienen. Dieser Aufgabe wolle er als Abtpräses nachkommen.
An die Zeremonie in der Kirche schloss sich ein kurzer Empfang an. Heute Nachmittag ist Ausflugstag. Wir machen uns auf den Weg, um einen Einblick in die Gemeinden der Abtei Waegwan zu bekommen und besuchen unsere Mitschwestern im Priorat Daegu der Missionsbenediktinerinnen zur Vesper und zum Abendessen.
Morgen wird Abt Javier die Abtsbenediktion erhalten.
Nachmittags hat die Gemeinschaft von Waegwan ein kleines kulturelles Programm für uns organisiert, damit die Teilnehmer des Generalkapitels auch Land und Leute ihres Gastgeberlandes kennenlernen konnten. Zunächst stand ein Konzert mit traditionellen koreanischen Instrumenten in einem Kulturzentrum bei Waegwan auf dem Programm. Dazu hat uns der Gouverneur der Provinz Chilgok, zu der die Abtei Waegwan gehört, persönlich begrüßt. Zu dieser geistigen Stärkung trat auch eine leibliche Stärkung, als nach dem Konzert koreanisches Finger Food gereicht wurde. Anschließend besuchten wir einige Pfarreien, die vom Kloster aufgebaut wurden und in denen heute Mönche der Abtei tätig sind. Die Pfarrkirche in der Stadt Waegwan ist von P. Alwin Schmid OSB errichtet worden. Pater Alwin Schmid (1904-1978) wirkte als ein Pionier der Kirchenarchitektur in Korea. Zwischen 1937 und 1978 entwarf er ungefähr 185 kirchliche Gebäude, darunter zahlreiche Kirchen, Kapellen und Gemeindezentren. Seine späteren Werke spiegeln dabei in herausragender Weise den Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils. Kennzeichnend für seine Bauten sind Funktionalität, eine gewisse „bescheidene“ Nüchternheit und ein hohes Maß an Anpassung an die jeweilige landschaftliche oder städtische Umgebung.
Der Tag endete mit dem Besuch unserer Mitschwestern, der Missionsbenediktinerinnen im Priorat Daegu, das ungefähr 30 Minuten mit dem Auto von Waegwan entfernt liegt. Die Schwestern in Daegu betreiben dort ein Gästehaus, einen Kindergarten, eine Bibelschule, ein Pflegeheim und ein Haus für die alten Schwestern. In der Kirche des Priorates sangen wir die Vesper, und im Anshcluss bewirteten die Schwestern uns sehr großzügig in ihrem Speisesaal. Dabei erfreuten sie uns mit der musikalischen Darbietung eines koreanischen Liedes. Abt Javier dankte den Schwestern des Priorates für ihre Gastfreundschaft und lud sie zu seiner Abtsbenediktion ein, die morgen, am 19.1.2025, um 16.00 Uhr stattfindet.
Freitag, 17.1.2025
Der Tag heute begann mit der Eucharistiefeier um 7.00 Uhr, die Abtprimas Jeremias mit uns feierte, assistiert von P. Javier Aparicio Suarez, dem Kongregationsprokurator, und P. Pachomius Choe, Prior von Namyangju bei Seoul, einer Gemeinschaft, die ihr Mönchtum auf spezifisch koreanische Weise lebt. Abt Jeremias rief uns den heutigen Tagesheiligen, den hl. Antonius, ins Gedächtnis, der auch als Vater des Mönchtums gilt. In ihm feiern wir sozusagen unsere Wurzeln. Er hörte auf das Wort des Evangeliums, alles zu verlassen und Jesus nachzufolgen, und setzte es konsequent in die Tat um – darin sei er ein Vorbild, auch für uns, die wir heute nach dem Willen Gottes für uns und unsere Gemeinschaften suchten.
Am Beginn der thematischen Einheit richtete unser Propräses, Abt Michael, der kommissarische Leiter der Kongregation, das Wort an uns und ermutigte uns, um den Geist Gottes zu beten und dabei nicht auf Namen festgelegt zu sein, sondern offen zu bleiben für das Wirken des Geistes. Im Anschluss daran bestand die Gelegenheit, sich in regionalen Kleingruppen auszutauschen über die Frage, was Herausforderungen für unsere Kongregation seien und welche Kompetenzen ein Abtpräses heute haben muss. Dabei gingen wir nach der Methode des geistlichen Gesprächs vor, die auch auf der Weltsynode zum Einsatz kam. Bei dieser ignatianischen Methode geht es nicht so sehr um eine Diskussion, bei der ich versuche, alle von meiner Meinung zu überzeugen, sondern um ein wirkliches Hören aufeinander, das sich auch anfragen und bereichern lässt von der Meinung des Anderen. Es ist ein geistlicher Weg, der eingerahmt ist von Stille und Gebet. Der Vorteil ist, dass wirklich jeder seine Meinung äußern kann und diese Meinung auch zunächst einmal im Raum stehen bleibt. Am Ende geht es darum, nicht einen Mehrheitsbeschluss zu finden, sondern einen größtmöglichen Konsens, der von allen mitgetragen werden kann. Ich habe diese Methode als sehr hilfreich empfunden. Nach diesem ersten Schritt war die Gelegenheit, sich in einer Einzelarbeit Gedanken zu machen über mögliche Kandidaten und alle menschlichen Sinne dazu zu befragen – Kopf (das Rationale), Bauchgefühl (die Emotionen) und Herz (Intuition). In Zweier- und Vierergesprächen bestand dann die Möglichkeit zum Austausch darüber. So wurde der Horizont des Einzelnen noch einmal geweitet auf weitere, bis dahin vielleicht unbedachte Möglichkeiten, sodass alle auf gute Weise in die Wahl gehen können.
Am Nachmittag wurde es dann ernst. P. Noach Heckel von der Abtei Münsterschwarzach, als Kirchenrechtler Mitglied der Juridischen Kommission des Generalkapitels, erläuterte den Teilnehmern des Generalkapitels die Wahlordnung, wie sie das Eigenrecht der Kongregation von St. Ottilien, insbesondere die Ordnung zur Wahl eines Abtpräses, vorsieht. Die Wahl setzt sich aus einer Vorwahl, die heute Nachmittag stattfindet, und der eigentlichen Wahl am Samstag zusammen. Die Vorwahl dient der Nennung geeigneter Kandidaten und der Erstellung der Wahlliste. Das passive Wahlrecht haben, d.h., wählbar sind alle Mönche unserer Kongregation, die beim Zeitpunkt der Wahl mindestens 35 und höchstens 65 Jahre alt sind, die Priesterweihe empfangen haben und die nötigen kirchenrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Erfüllt jemand ein Kriterium nicht, kann er postuliert (vorgeschlagen) werden; bei einer Wahl mit der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit bis zum dritten Wahlgang ist eine Postulation möglich – diese muss dann aber vom Papst bestätigt werden. Nach einem neuen Dokument von Papst Franziskus aus dem Jahr 2021 gilt das auch für Brüder, die nicht die Priesterweihe empfangen haben.
Das aktive Wahlrecht haben die Mitglieder des Kongregationsrates, des Leitungsgremiums der Missionsbenediktiner, die Oberen der unabhängigen Häuser und die Delegierten der jeweiligen Gemeinschaften. Bei diesem Generalkapitel sind das 42 Mitglieder, die den Abtpräses wählen. Erreicht ein Kandidat in den ersten vier Wahlgängen die Zwei-Drittel-Mehrheit aller Stimmen, ist er für acht Jahre gewählt. Im fünften und sechsten Wahlgang ist die absolute Mehrheit nötig. Erreicht auch diese kein Kandidat, so wird im siebten Wahlgang derjenige mit einer einfachen Mehrheit für vier Jahre gewählt.
Die Vorwahl findet heute Nachmittag statt, die eigentliche Wahl nach einer Votivmesse zum Heiligen Geist am Samstagmorgen. Die Glocken der Abtei Waegwan werden ein positives Ergebnis verkünden, und der Neugewählte wird in der dortigen Kirche vorgestellt.
Da die Wahl geheim und vertraulich ist, wird nun auch der Tagebuchschreiber in die „Wahlklausur“ gehen. Von der Wahl selbst wird es hier keine Informationen geben, denn diese ist streng vertraulich. Morgen melde ich mich dann wieder und kann dann hoffentlich einen neuen Abtpräses verkünden…
Donnerstag, 16.1.2025
„Das 23. Generalkapitel der Missionsbenediktiner von St. Ottilien in der Abtei Waegwan ist eröffnet.“ Diesen Satz sagte Abt Michael Reepen OSB von der Abtei Münsterschwarzach während der ersten Sitzung heute morgen. Sehr oft fiel dabei das Wort „außerordentlich“, handelt es sich doch bei diesem Generalkapitel, der höchsten gesetzgebenden Versammlung der Missionsbenediktiner, zu denen aus allen Klöstern der Kongregation Mitbrüder zusammenkommen, um ein Kapitel sozusagen „außer der Reihe“. Es war nötig geworden, nachdem Abt Jeremias Schröder im September 2024 vom Äbtekongress in Rom zum Abtprimas, dem Repräsentanten aller Benediktiner weltweit, gewählt wurde. So ist dieses Generalkapitel vor allem ein Wahlkapitel, das einen Nachfolger in der Kongregationsleitung wählt.
Der Tag begann um 7.00 Uhr mit der Eucharistiefeier zur Eröffnung des Kapitels in der Kapelle des Exerzitienhauses in Waegwan. Abt Michael, der als sog. Propräses die Kongregation bis zur Wahl eines neuen Abtpräses leitet, bezog die Lesungen des heutigen Tages auf die vor uns liegenden Tage. „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet nicht eure Herzen!“ (Hebr 3,7) Das „Heute“ des Hebräerbriefs ermahne uns, zu hören, was der Geist Gottes unserer Kongregation heute sagen will. Und das Evangelium, in dem Jesus den Aussätzigen heilt (Mk 1,40-45) rufe auch uns zu Heilung und Versöhnung auf. Die Messe war geprägt von der Internationalität der Kongregation – koreanische Gesänge, die Lesung in Swahili, das Evangelium auf Französisch, die Fürbitten in verschiedenen Sprachen, die Gebete auf englisch. Ein großer Reichtum der Weltkirche ist in diesen Tagen erlebbar.
Nach der offiziellen Eröffnung des Generalkapitels und der Vorstellung der Technik – wie schon 2022 ist dieses Generalkapitel vor allem digital und läuft über die Plattform Teams – hat unser Abt Cosmas, der einer der Moderatoren des Kapitels ist, in einem „Role Call“ alle Teilnehmer aufgerufen und zugleich den Mitarbeitenden für ihren Einsatz gedankt. Denn solch eine Veranstaltung lebt ja gerade von denen, die viel Arbeit im Hintergrund tun: Übersetzer, Protokollanten, Techniker, Juridische Kommission, Moderatoren, Zeremoniar (für die Liturgie Verantwortlicher), …
Die ersten Tage dienen vor allem der Rückschau auf die Amtszeit von Abt Jeremias, der 24 Jahre unserer Kongregation als Abtpräses vorgestanden hat, die ersten zwölf Jahre auch als Erzabt von St. Ottilien, seit der Trennung der Ämter im Jahr 2012 als sog. „frei schwebender“ Abtpräses. So wird es einige Berichte aus der Kongregationsleitung geben. Auch Abtprimas Jeremias ist inzwischen angekommen und wird sich Zeit für uns nehmen. So dient die Rückschau auch dazu, die Zukunft der Missionsbenediktiner mit ihren Herausforderungen zu finden, um dann am Samstag den wählen zu können, der für die anstehenden Aufgaben am besten geeignet ist.
Der Nachmittag war geprägt von Berichten der Kongregationsleitung. So stellte P. Javier Aparicio OSB, der als Kongregationsprokurator die Projekte der Missionsbenediktiner koordiniert, seine Arbeit vor. Die Missionsprokuren und ihre Wohltäterinnen und Wohltäter unterstützen die Arbeit der jungen Klöster in den Bereichen Bildung und Gesundheitswesen. Der größte Bereich war in den letzten Jahren die Entwicklung der ökologischen Nachhaltigkeit unserer Gemeinschaften durch den Aufbau von Solaranlagen und weiterer regenerativer Energien. Ökologie ist auch eines der Themen, das uns im weiteren Verlauf dieses Kapitels beschäftigen wird.
Schließlich berichtete Abtprimas Jeremias in sehr persönlichen Worten von den Entwicklungen nach seiner Wahl zum obersten Repräsentanten der Benediktiner. Er sprach von aktuellen Projekten und Herausforderungen, seinen Lernschritten im Umgang mit vatikanischen Behörden und davon, wo er unsere Kongregation der Missionsbenediktiner im Gesamtgefüge der benediktinischen Familie weltweit sieht. Besonders würdigte er den Beitrag, den unsere afrikanischen Gemeinschaften mit ihren vielen Berufungen leisten können, um kleineren Gemeinschaften auf ihrem Heimatkontinent Hilfen an die Hand zu geben. Unter den Top 10 der größten benediktinischen Gemeinschaften auf der Welt seien mindestens vier aus unserer Kongregation, was die Bedeutung der Missionsbenediktiner unterstreicht.
Die Tage des Generalkapitels sind eingebettet in das gemeinsame Gebet. So beginnen wir jeden Morgen mit der Feier der Eucharistie und beten nach den Sitzungseinheiten miteinander die Vesper. Und auch das gemütliche Beisammensein, das sog. „Socializing“, gehört zum Tagesablauf fest dazu. So wachsen die Mitglieder des Generalkapitels immer mehr in ihrem brüderlichen Beisammensein und erfahren, was benediktinische Einheit bedeutet, ohne die Vielfalt ihrer jeweiligen Kulturen aufzugeben – denn gerade diese gelebte Vielfalt ist es, die den Reichtum unserer Kongregation und aller Gemeinschaften in ihr ausmacht.
Mittwoch, 15.1.2025
Mittlerweile sind fast alle Teilnehmer des Generalkapitels in Südkorea angekommen. Es ist eine bunte Mischung aus Mönchen verschiedenster Klöster und Nationen zusammengekommen, was sich auch an der Farbe der Ordensgewänder zeigt (neben dem klassischen Schwarz gibt es auch weiße und orangene Habite der Mitbrüder aus Afrika und Indien).
Heute feiert die Abtei Waegwan ihr Patronatsfest. Sie ist den beiden Heiligen Maurus und Placidus geweiht, die als erste Schüler Benedikts gelten. So gab es heute um 10.30 Uhr in der Abteikirche ein feierliches Pontifikalamt, dem der hiesige Abt Blasio Park OSB vorstand. Die Messe war in koreanischer Sprache mit den lateinischen Messgesängen. Am Ende richtete Abt Blasio einige Worte auf englisch an die Kapitelsteilnehmer und die versammelte Gemeinde und rief dazu auf, Botschafter des Friedens in den einzelnen Gemeinschaften zu sein. Er verwies auf die angespannte politische Situation in Südkorea und rief zum Gebet um Frieden auf. An das Festhochamt schloss sich ein ebenso festliches Mittagessen mit dem Konvent von Waegwan im Exerzitienhaus an. Zur Feier des Tages stifteten Wohltäter des Klosters ein großes Spanferkel.
Heute konnte ich auch schon einen Blick in den Tagungsraum werfen, in dem wir uns in den nächsten Tagen viele Stunden lang aufhalten werden. Gemeinsam mit P. Adam vom Priorat Schuyler in den USA konnte ich die Übersetzerkabinen inkl. der Technik inspizieren. Ich bin nicht nur offizieller Vertreter von Königsmünster, sondern helfe mit anderen Brüdern auch beim Übersetzen. Neben den Übersetzungen vom Englischen ins Deutsche und vom Deutschen ins Englische gibt es auch Mitbrüder, die ins Französische und Spanische übersetzen, sodass jeder in seiner bevorzugten Sprache reden kann.
Am Nachmittag bestand dann die Gelegenheit, an einer kleinen Teezeremonie teilzunehmen, bei der koreanische Spezialitäten verkostet wurden. Das Generalkapitel bietet den Teilnehmern auch die Gelegenheit, die koreanische Kultur kennenzulernen.
Anbei noch ein kleiner Videogruß, den ich heute morgen vom Balkon meines Zimmers aufgenommen habe:
Dienstag, 14.1.2025
Die erste Nacht in Südkorea tat den müden Knochen gut. Die Temperaturen bewegen sich in dieser Zeit um den Gefrierpunkt, es ist also Winter in Korea – also ähnlich wie in Deutschland. Als ich im August 2024 zum Treffen der Missionsprokuratoren hier war, war Hochsommer mit Temperaturen um die 36 Grad. Korea kennt also die Extreme von kaltem und heißem Wetter.
Wir sind im neuen Exerzitienhaus der Abtei untergebracht, das vor wenigen Monaten eingeweiht wurde. Ein beeindruckender Bau in moderner Architektur, der durch klare Formen und das Zusammenspiel von Sichtbeton und Glas besticht. Das Haus der Stille in Meschede ist dagegen winzig… Jeder der Teilnehmer des Generalkapitels hat ein Zimmer mit eigenem Balkon mit einer wunderbaren Sicht auf das Kloster. Ich hatte gestern einige Bilder versprochen, die ich nun gerne nachreiche:
2007 ist das Kloster in großen Teilen bei einem Feuer abgebrannt. Es war die Nacht auf Karfreitag, und da alle Mönche gerade bei der nächtlichen Anbetung in einem anderen Teil des Klosters waren, ist glücklicherweise niemand zu Schaden gekommen. In einem Kraftaufwand ist in wenigen Jahren das Kloster mitsamt der Kirche neu aufgebaut worden.
Am Vormittag hatte ich die Gelegenheit, länger mit unserem P. Thomas Timpte OSB zu sprechen. Der gebürtige Bottroper lebt und arbeitet schon seit über 60 Jahren in Südkorea, hat im vergangenen Jahr sein 70. Professjubiläum und seinen 92. Geburtstag gefeiert und ist immer noch geistig rege. Mittlerweile lebt er in Hwasun, einem abhängigen Haus der Abtei Waegwan, hat es sich aber nicht nehmen zu lassen, seine Mitbrüder aus Meschede zu begrüßen.
Am Nachmittag stand eine Führung durch das Kloster und die Betriebe der Abtei auf dem Programm. Die Abtei Waegwan, die nach dem Koreakrieg 1949/50 und der Vertreibung der Mönche aus dem Norden im Süden wiederaufgebaut wurde, ist ein lebendiges Kloster mit vielen, sehr großen Werkstätten. Zur Abtei gehören vier Schulen, ein Gästehaus, ein Klosterladen, Schreinerei, Druckerei, Kerzenmanufaktur, Glaswerkstatt und Metzgerei. Abt Blasio hat uns persönlich geführt. Ebenfalls am Nachmittag kamen die Delegierten aus den afrikanischen Klöstern an, die sich nun ebenfalls vom Jetlag erholen.
Sonntag, 12.1.2025/Montag, 13.1.2025
Um 8 Uhr morgens wurden Abt Cosmas und ich zum kleinen, gemütlichen Flughafen nach Paderborn gebracht, um die lange Reise nach Südkorea anzutreten. Das Generalkapitel ist die höchste verfassunggebende Instanz der Missionsbenediktiner und setzt sich aus den Oberen der einzelnen Klöster und je einem gewählten Konventsdelegierten als Vertreter der Gemeinschaften zusammen. Dazu gibt es noch Übersetzer, Sekretäre, Moderatoren, … Normalerweise findet das Generalkapitel alle vier Jahre statt, das letzte allerdings erst vor zwei Jahren. Da aber im September 2024 Abt Jeremias Schröder zum Abtprimas der Benediktiner gewählt wurde, muss nun ein Nachfolger für ihn bestimmt werden. Diese Wahl nimmt das Generalkapitel wahr.
Nach einem kurzen Zubringerflug nach München treffen wir dort fast die gesamte Delegation aus Europa, unserer Klöster in Österreich, der Schweiz und Deutschland. Das gibt ein großes Hallo, bevor es nach Seoul weitergeht – ein 11 1/2-stündiger Flug, wozu noch einmal acht Stunden Zeitverschiebung kommen. Nachdem dann alle in Seoul erfolgreich durch Gepäckabfertigung und Immigration gekommen sind, geht es mit einem eigens für uns gecharterten Reisebus weiter in die Abtei Waegwan, eine Fahrt, die noch einmal vier Stunden dauert. Zwischendurch können einige Mitbrüder die erste Bekanntschaft mit dem sehr nahrhaften koreanischen Essen machen.
In der Abtei Waegwan übernachten wir im Exerzitienhaus, das erst vor wenigen Monaten eingeweiht wurde – ein großer, moderner Bau, in dem jeder ein eigenes Zimmer mit Balkon und (wichtig) funktionierender Heizung erhält. Morgen bei Tageslicht werde ich einige Fotos zeigen. Kurz können Abt Cosmas und ich noch P. Thomas Timpte begrüßen, unseren 92jährigen Missionar, der schon über 60 Jahre in Korea lebt und perfekt inkulturiert ist. Dann heißt es erst einmal: den Jetlag ausschlafen. Gut, dass vor dem offiziellen Start des Generalkapitels morgen noch ein freier Tag ist.