40 x Hoffnung (35/40 – Montag der Karwoche)
„Die schönste Richtung aber war die Himmelsrichtung“.
Von einer Hoffnungskraft, die zum Handeln führt
Ein Jahr Erzbischof von Paderborn – neue Menschen, neue Landschaften, neue Städte, neue Orte. Eine Flut von Eindrücken und Erfahrungen!
Ein Jahr, das sich anfühlte, als säße ich in einem Hochgeschwindigkeitszug und schaute aus dem Fenster. Intensive Momente, schöne Stunden, bewegte Zeiten!
Und das alles in dieser oft auch schwierigen Situation von Politik, Kirche und Gesellschaft – bei uns und weltweit. Die Kriege, die Katastrophen, das Gezerre der Interessengruppen und Parteien… „Die Büchse der Pandora ist geöffnet“: Fast täglich türmen sich Krisen auf Krisen, im Alltag und im Weltgeschehen. Es stimmt: Angesichts dessen wäre eine illusionäre Hoffnung im wahrsten Sinn des Wortes lebens-gefährlich.
Was also gibt mir selber Hoffnung? Als Udo Markus Bentz, als Mensch, als Priester, als Erzbischof…
Friedrich Nietzsche, der Philosoph, hat einmal gemeint: Hoffnung ist eines der größten aller Übel. Sie verlängert die Qual der Menschen nur unnötig. Hoffnung verweigert sich der Wirklichkeit. Und diese nihilistische Sicht auf Hoffnung teilen wohl gar nicht so wenige Menschen heute. Mir kommt auch Greta Thunbergs wütender Satz in den Sinn: „Ich will eure Hoffnung nicht. … Ich will, dass ihr in Panik geratet … Und dann will ich, dass ihr handelt.“
Ist Hoffnung wirklich so ein Beruhigungsmittel, das uns davon abhält, das Heft in die Hand zu nehmen, um die Welt zum Guten zu wenden?
Ich habe es in diesem ersten Jahr als Erzbischof anders erfahren. Es gibt viel Hoffnung in unserer Ortskirche von Paderborn, wunderbare Hoffnungsorte, großartige Menschen, die, aus ihrem Glauben heraus, Hoffnung und Zuversicht verbreiten. Und die auch mich damit anstecken – und ich sie. Die Gemeinschaft der Benediktiner in Königsmünster gehört auf jeden Fall für mich dazu! Königsmünster ist für mich so ein Hoffnungsort mit einer ungeheuren Strahlkraft!
Und dafür steht Königsmünster auch: Echte Hoffnung hat beide Beine fest auf dem Boden der Tatsachen. Hoffnung bedeutet, die Realität anzuerkennen, ohne in Utopien zu flüchten. Utopien sind letztlich menschenverachtend! Eine Utopie ist etwas, das jenseits jeder Realität liegt – etwas Irreales, in das man sich hineinträumen kann und das oft in Terror und Gewalt endet.
Echte Hoffnung aber geht von dem aus, was ist, und setzt etwas in Bewegung. Wer hofft, gibt sich nicht zufrieden mit dem, was ist. Er oder sie hat eine Vision, wie etwas sein könnte! Und dieser Graben zwischen dem, was ist, und dem, wie es sein könnte, den überwindet die Hoffnung, indem sie zum Handeln motiviert. Ja sogar „verrückte“ Hoffnungen haben darin ihren Sinn. Der Journalist Heribert Prantl meint: „Es gibt Hoffnungen, die scheinen verrückt; aber sie sind es nicht. Diese verrückten Hoffnungen sind nämlich oft gerade diejenigen Hoffnungen, die helfen, nicht verrückt zu werden.“
Eine solche „verrückte“ Hoffnung – weil sie die gängigen Maßstäbe verrückt – ist für mich als Christ die Hoffnung von Ostern. Ostern steht jetzt unmittelbar vor der Tür. Die Hoffnung auf den Sieg des Lebens. Darauf, dass Gott alles neu und gut macht.
Tatsächlich eine „verrückte“ Hoffnung, die mir hilft, nicht verrückt zu werden angesichts der Abgründe des Lebens.
Ohne diese Hoffnung, die alles andere überschreitet, blieben meine kleinen Hoffnungen vorläufig und vage. Oder mit den Worten des Dichters Arnold Stadler: „Die schönste Richtung aber war die Himmelsrichtung… Er fand den Glauben schöner als den Unglauben, der auch nur ein Glaube war. Er fand, dass Ja ein schöneres Wort war als Nein.“
Eine Hoffnungskraft, die das Leben bejaht und zum Handeln führt – mich selbst und so viele andere im Erzbistum Paderborn.