Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt. (1 Petr 3,15)

In einem katholischen Podcast, in dem mehrmals in der Woche ganz unterschiedliche Menschen über ihr Leben in und ihren Umgang mit der Corona-Pandemie interviewt werden, wird jedem Gast am Ende dieselbe Frage gestellt: „Was gibt Ihnen Hoffnung in dieser Zeit?“ Am Ende eines Gespräches, in dem es vor allem um Schwierigkeiten und Probleme geht, mit denen die befragten Menschen zu tun haben – und derer gibt es viele – wird der Horizont geweitet auf Zukunft hin, auf das, was den Menschen mitten in der Krise Hoffnung macht. Nicht umsonst heißt der Podcast „Himmelklar“ – er sieht in großer Klarheit die Situation der Menschen in der Krise, richtet den Blick aber weiter, gen Himmel, auf das, was uns übersteigt und am Leben hält (er ist übrigens sehr hörenswert; den Link finden Sie im Text).

In den Worten des Ersten Petrusbriefs, die der heutigen Lesung entnommen sind, steht ebenfalls die Aufforderung, „jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt.“ Hoffnung ist die Tugend der Zukunft. Sie eröffnet neue Räume über die oft triste Gegenwart hinaus und zeigt uns, was alles an Möglichkeiten, die Wirklichkeit werden wollen, in der Luft liegt. Und genau deswegen ist sie auch keine bloße Vertröstung, wie es ihr immer wieder vorgeworfen wird. Denn Hoffnung kann das Potential wecken, das in mir zum Besseren angelegt ist. Sie kann aus Möglichkeit Wirklichkeit machen – und setzt ihr Heil dennoch nicht auf den Menschen allein – das würde uns hoffnungslos überfordern – sondern weiß sich rückgebunden an einen, der all unsere verloren geglaubten Hoffnungen einmal erfüllen wird – auch die Hoffnungen der Zu-Kurz-Gekommenen, der sog. Opfer der Geschichte.

Was gibt ihnen Hoffnung in dieser Zeit? Ich lade Sie ein, einmal über diese Frage nachzudenken und für sich zu beantworten. Das kann die Perspektive auf diese Zeit vielleicht schon verändern.

P. Maurus Runge OSB

Bild: Gianni Crestani auf Pixabay

Führer der großen Weltreligionen haben am 14. Mai 2020 einen weltweiten Gebetstag zur Unterstützung der Betroffenen angesichts der Corona-Pandemie ins Leben gerufen. Papst Franziskus hat am 3. Mai alle Katholiken aufgefordert, sich dieser religionsübergreifenden Initiative anzuschließen. Auch wir haben uns diesem Aufruf angeschlossen. So haben wir unsere Mittagshore mit einem besonderen Gebet abgeschlossen, das eigens für diesen Tag geschrieben wurde:

Guter Gott!
Wir durchleben außergewöhnliche Zeiten. Du hast uns die Zusage gegeben, auch in den schwersten Zeiten bei uns zu sein. Du bist uns nahe, wenn wir die Nähe zu allen anderen meiden müssen. Wir kommen heute – Gläubige aller Religionen, weltweit, getrennt und doch gemeinsam – zu dir, vertrauen dir unsere Sorgen an und bitten dich:
Schenke allen Menschen die Zuversicht deiner Gegenwart, stärke sie in schweren Stunden und führe sie durch die Krise. Zu dir kommen wir voll Vertrauen, dich bitten wir, dich preisen wir in Ewigkeit. Amen.

 

Aufgrund der Corona-Pandemie entfallen folgende Veranstaltungen des Freundeskreises Königsmünster:

Sonntag, 07.06.2020: Predigtgespräch mit Br. Vincent

Samstag, 22.08.2020: Regionaltreffen des Freundeskreises in Münster

 

Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich! (Joh 14,1)

In diesen Tagen ist es nicht unbedingt einfach, diesem Rat Jesu am Anfang des heutigen Evangeliums zu folgen. Denn wer ist gerade nicht verwirrt bei den vielen oft widersprüchlichen Meldungen und Meinungen, bei unterschiedlichen Herangehensweisen an die Krise, bei so vielen Fake News und Verschwörungstheorien, vor denen selbst hochrangige Kardinäle der Kirche nicht gefeit sind?
Wer sollte nicht das Vertrauen verlieren, wenn Menschen in der näheren Umgebung krank werden, im schlimmsten Fall sogar sterben?
Wer sollte sich nicht sorgen um die Gesundheit, um die wirtschaftliche Existenz, um liebe Freunde und Bekannte?

Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Jesu Wort klingt wie eine Beruhigungspille, eine billige Vertröstung, welche die Realität nicht wahrhaben will.

Aber dieses Wort ist ganz und gar nicht realitätsfremd. Es ist Teil der sog. Abschiedsreden Jesu – gesprochen im Schatten des Kreuzes, am Vorabend von Jesu Passion. Jesus hat die Realität klar gesehen. Er hat gespürt, dass es mit ihm zu Ende geht, und er hat die Angst und Sorge seiner Jünger vorausgesehen. Und so spricht er ihnen Worte der Stärkung und Ermutigung zu. Worte des Trostes, die auch in schweren Zeiten tragen sollen. Glaubt an Gott und glaubt an mich. Habt Vertrauen, dass es einen gibt, der alle Unsicherheiten überdauert, der in allen Stürmen des Lebens Halt gibt. Ja, das mag manchmal wie eine Beruhigungspille  wirken. Aber auch eine Beruhigungspille kann für den Moment helfen, Schmerz lindern, das Herz ruhig machen.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie immer wieder Orte finden, an denen Sie Ihr Herz festmachen können, wo Sie den Anker werfen und neuen Mut schöpfen können.

P. Maurus Runge OSB

Seit Mitte März befinden wir uns nun schon in einer besonderen Situation – in ganz Deutschland, weltweit und auch auf dem Klosterberg. Schule, Gästehäuser, Gastronomie, AbteiLaden, Kirche – das alles ist im „Lockdown“. Nun beginnt so langsam wieder das Leben – der Abteiladen ist wieder geöffnet, unsere Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen konnten wieder tageweise zur Schule, und am Sonntag, den 10. Mai, öffnen wir unsere Kirche für Gottesdienste. Alles zwar eingeschränkt und unter Wahrung der Hygiene- und Sicherheitsauflagen, aber das Leben geht auch bei uns weiter…

Unser Team begrüßt Sie herzlich in der Gaststätte

Auch unsere AbteiGaststätte hat heute wieder ihre Tore geöffnet. An den Wochenenden gibt es von 11 bis 16 Uhr die Möglichkeit, Kuchen oder auch ein warmes Gericht zu kaufen und nach Hause mitzunehmen – der Verzehr in der Gaststätte ist noch nicht möglich, Also, wenn Sie den Muttertag mit einem köstlichen Törtchen aus dem Kloster krönen wollen oder noch etwas Süßes als Geschenk für die beste Mutter suchen – morgen ist ab 11.00 Uhr Gelegenheit dazu. Für ausreichend Abstand ist mit einem Einbahnstraßenverkehr gesorgt. Bitte vergessen Sie Ihren Mund- und Nasenschutz nicht – so können wir uns gegenseitig schützen! Und vorher sind Sie um 9.30 Uhr zu unserem Konventamt in die Abteikirche eingeladen – solange Plätze da sind. Unser klösterlicher Ordnungsdienst wird Sie ab 9.00 Uhr begrüßen!

Ab dem 1. Mai 2020 ist die Wiederaufnahme von Gottesdiensten und Versammlungen zur Religionsausübung in NRW wieder möglich. Die Kirchen haben dazu einen Rahmenplan vorgelegt, der die geltenden Sicherheitsmaßnahmen in Zeiten der Corona-Pandemie berücksichtigt. In den letzten Tagen hat die Liturgische Kommission unserer Abtei einen detaillierten Plan erarbeitet, wie eine Öffnung der Gottesdienste in der Abtei Königsmünster unter der Garantie eines umfassenden Infektionsschutzes aussehen kann. Dieser Plan, der sich an den Vorgaben des Erzbistums Paderborn orientiert,  ist vom zuständigen Ordnungsamt der Stadt Meschede genehmigt worden. So werden wir ab dem Konventamt am Sonntag, den 10. Mai 2020, unsere Abteikirche für die Teilnahme von Gläubigen an Stundengebet und Eucharistiefeier wieder öffnen. Bitte beachten Sie die folgenden Rahmenbedingungen:

  • Ab Samstag, den 30. Mai 2020, sind alle Besucherinnen und Besucher von Gottesdiensten zur Rückverfolgbarkeit von Infektionsketten namentlich zu erfassen und für vier Wochen aufzubewahren. Nach dieser Zeit werden Ihre Daten vernichtet.
  • Die Abstandsregel von 1,50 m Mindestabstand zu jeder Seite sollte auf jeden Fall gewahrt bleiben. Es wird in der Abteikirche 65 markierte Sitzplätze geben. Wenn diese Anzahl erreicht ist, können wir aufgrund der Sicherheitsbestimmungen niemanden mehr zulassen.
  • Für den Ein- und Ausgang in die Kirche wird es eine Einbahnstraßenregelung geben. Die Kirche können Sie nur durch den barrierefreien Seiteneingang zum Schulhof hin betreten. Bitte beachten Sie vor der Kirche die Abstandsmarkierungen! Für den Ausgang sind die beiden seitlichen Türen neben dem Hauptportal vorgesehen. Der Abgang ist nur über die Mitteltreppe möglich. Die beiden anderen Treppen werden gesperrt, weil dort die Einhaltung des Mindestabstands nicht möglich ist.
  • Es wird einen Ordnungsdienst geben, der von den Mönchen der Abtei gestellt wird. Die Ordner weisen Ihnen die Plätze in der Kirche zu und helfen Ihnen beim Kommuniongang. Wenn alle Plätze belegt sind, müssen wir die Kirche leider schließen. Zur Vorabendmesse am Samstag und zum Konventamt am Sonntag wird die Kirche eine halbe Stunde vor Beginn geöffnet. Bitte folgen Sie in allem den Anweisungen des Ordnungsdienstes.
  • Gotteslobbücher und Antiphonalien für das Stundengebet können nicht zur Verfügung gestellt werden. Sie können ggf. eigene Bücher mitbringen. In der Vorabendmesse wird gemäß den Empfehlungen der Deutschen Bischofskonferenz nur sehr reduziert gesungen.
  • Die Weihwasserbecken bleiben geleert. Sie haben die Möglichkeit, aus einem geschlossenen Behälter in der Kirche Weihwasser zu entnehmen und mit sich nach Hause zu nehmen.
  • Die Körbe für die Kollekte werden nicht durch die Reihe gereicht, sondern am Ausgang aufgestellt.
  • Der Friedensgruß erfolgt ohne Körperkontakt.
  • Kelchkommunion findet nicht statt; die Mundkommunion muss bis auf weiteres unterbleiben.
  • Vor Beginn der Kommunionausteilung desinfizieren sich der Zelebrant und ggf. weitere Kommunionausteiler die Hände. Die Kommunion wird ohne den Spendedialog („Der Leib Christi.“ – „Amen.“) ausgeteilt. Den Gläubigen wird die Kommunion in angemessenem Abstand an jedem einzelnen Block in der Kirche gereicht. Verlassen Sie dazu die Bank auf der linken Seite, gehen Sie zur Kommunionspendung nach vorne, und betreten Sie die Bank wieder von der rechten Seite. Bitte beachten Sie auch die Hinweise des Ordnungsdienstes!

 

Mit der Öffnung unserer Gottesdienste ab dem 10. Mai möchten wir ein Zeichen der Hoffnung in diesen schwierigen Zeiten setzen. Vielen Menschen ist das gemeinsame Gebet Zuflucht und Trost. Dennoch möchten wir eine gesundheitliche Gefährdung, soweit es geht, verringern, und unseren Teil dazu beitragen, dass der Infektionsschutz gewahrt bleibt. Wir appellieren an Ihre Einsicht und Ihre Verantwortung sich selbst und Ihren Mitmenschen gegenüber. Wenn Sie einer besonders betroffenen Risikogruppe angehören oder wenn Sie Krankheitssymptome aufweisen, bleiben Sie zuhause und nehmen Sie via TV oder Internet an einer Liturgie teil. In diesem Zusammenhang möchten wir auf die Regelung des Erzbistums Paderborn aufmerksam machen, dass das Sonntagsgebot weiterhin ausgesetzt bleibt. Wir werden auf unserer Website weiterhin die Sonntagspredigten und –impulse veröffentlichen. So hoffen wir, mit unseren Maßnahmen gleichermaßen dem wichtigen benediktinischen Gebot der Gastfreundschaft wie auch dem Gesundheits- und Infektionsschutz nachzukommen. Wir bitten Sie um Ihr Verständnis und Ihr Mittun – nur dann werden wir auch weiterhin miteinander Gottesdienst feiern können. Bleiben Sie gesund!

Update 23.10.2020

Am 23. Oktober 2020 hat der Hochsauerlandkreis bei der 7-Tage-Inzidenz die Stufe von mehr als 50 Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner überschritten. Daher gilt ab Samstag, den 24. Oktober, bei Veranstaltungen in geschlossenen Räumen eine Maskenpflicht auch am Platz. Das gilt ebenso für all unsere Gottesdienste.

Daher bitten wir Sie darum, bei allen Gottesdiensten in der Abtei Königsmünster auch am Platz in der Kirche eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Diese Maßnahme gilt bis auf Weiteres. Nur zusammen können wir die Corona-Pandemie bekämpfen. Es kommt auf die Mithilfe jedes einzelnen an, um uns gegenseitig zu schützen. Nur so können wir auch weiterhin miteinander Gottesdienst feiern, was gerade in diesen Zeiten für viele Menschen Trost und Hilfe ist. Wir danken für Ihr Verständnis!

„Er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen und führt sie hinaus.“ (Joh 10,3b)

Eine Tradition im Kloster ist es, das Schlusslicht an den Jüngsten des Konvents weiterzugeben; wann immer ein neuer Postulant in unsere Abtei eintritt, überreicht der nun Zweitjüngste diesem das Licht.

Lasst uns unser Gebet besonders am heutigen Tag der geistlichen Berufung widmen: Viele Menschen spüren tief im Innern eine Sehnsucht, sich mehr auf Gott auszurichten und tiefer in die Geheimnisse des Glaubens einzutauchen. Sie hören diese vertraute Stimme, trauen sich aber nicht, ihr nachzuspüren.

„Wenn er alle seine Schafe hinausgetrieben hat, geht er ihnen voraus und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme.“ (Joh 10,4)

HAB KEINE ANGST!

(Juniorat Königsmünster)

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von Br. Justus Niehaus OSB

Schafe. Warum vergleicht Jesus uns mit Schafen? Warum keine Ziegen, Schweine, Kühe, Rinder? Warum Schafe? Schauen wir, was diese Tiere ausmacht, warum Jesus uns mit Schafen vergleicht. Zufällig besitzen wir ja einige Exemplare Waldschafe, und ich darf als „Mietling“ mich ab und zu mit ihnen beschäftigen.

Eigentlich müsste also unser Bruder Isidor hier stehen und die Predigt halten. Aber hier nun einige Beobachtungen eines Mietlings im Schafstall.

Als ich über diese Predigt nachdachte, kam mir als erstes das letzte Silvesterfest in den Sinn.

Isidor sprach mich um halb neun abends an, ob ich ihm bitte bei den Schafen helfen könnte. Die Schafe sollten in den Stall, damit sie sich nicht durch die Böller um Mitternacht erschrecken, voll Panik in die Netze laufen und ungewollt ausbrechen. Im Schafstall musste irgendetwas passiert sein, dass die Schafe geängstigt hatte. Sie wollten nicht dorthin. Isidor hatte es seit fünf Uhr versucht, aber alleine war nichts zu machen. Wir trieben also zu zweit die Schafe durch eine Gasse von der Weide bis vor die Mistplatte. Hier weitete sich der Zaun und führte um die ganze Mistplatte. Isidor hatte vorne gelockt und ich stand als Absicherung hinten. Bis zur Mistplatte war es kein Problem, aber kein Schaf machte auch nur einen Schritt auf die Platte. Einige wollten schon zurück auf die Weide, aber dort stand ich nun im Weg. Pattsituation. Um die Schafe als Gruppe nicht in Panik zu versetzen, blieb ich relativ ruhig. Isidor hatte schon alle Lockmittel wie Kraftfutter und Äpfel bereit, aber es war nichts zu machen. Ab und zu schaffte er es, ein Schaf zu überzeugen, einen Schritt auf die Mistplatte zu machen, aber sobald dieses Schaf merkte, dass die anderen ihm nicht folgten, kehrte es um und löste so den Fluchtreflex der ganzen Herde aus. Auch wenn sich eines der ängstlicheren Tiere durch eine Kleinigkeit erschrak, blickten wieder alle Augen auf mich und den Fluchtweg zur vermeintlich sicheren Weide, anstatt auf die Stimme ihres Hirten zu hören und in den Stall zu gehen, wo es frisches Heu, Wasser und Kraftfutter gab. Wir spielten dieses Spiel eine gute Dreiviertelstunde. Ein Schaf durch langes Zureden auf die Mistplatte, eine kleine Unsicherheit, ein Fluchtreflex und alles war wieder auf Anfang. Es war zermürbend.

Dann nach einer gefühlten Ewigkeit das Einsehen. Warum auch immer. Ein Gefühl von Einsehen. Plötzlich setzte sich die Herde langsam und vorsichtig Richtung Stall in Bewegung. Auch die skeptischen Tiere gingen mit und lösten keinen Herdenfluchtinstinkt mehr aus. Es war geschafft. Einmal in Bewegung ging es ganz schnell. Es war kein Zögern mehr zu spüren. Die Herde hatte sich auf den Weg gemacht. Die Schafe waren im Stall. Was der letzte Auslöser war, kann ich nicht sagen. Warum sie sich schließlich fügten und ihrem Hirten folgten, kann ich nicht sagen.

Mir ist nur die Hilflosigkeit, ja die Machtlosigkeit des Hirten in der Situation vor Augen: dort zu stehen und außer gutem Zureden und Locken nichts machen zu können. Kein Zwang, kein Befehl, nur Geduld und Ausdauer, nur ruhig bleiben, frische Nahrung und gutes Zureden haben geholfen. Wer einmal so eine Situation erlebt hat, versteht, was Hirte sein bedeutet. Es heißt nicht herrschen, sondern Geduld und Barmherzigkeit. Es heißt sich in die Herde reindenken, dranbleiben, damit die Schafe den Klang der Stimme nicht verlernen, damit auch in Notsituationen wie dieser noch Vertrauen vorhanden ist. Es heißt sich alle Tiere anzusehen, zu bemerken, ob eines hinkt, ob es zurückbleibt, ob es niest, ob es krank ist. Ob es seine Lämmer versorgt oder Unterstützung braucht. Ob es im Frühjahr genug regnet, damit man im Sommer heuen kann, um im nächsten Winter genug Nahrung zu haben. Sie nachts heim zu holen in den sicheren Stall. Und all das nicht durch Befehl, sondern durch Locken und Rufen, durch Geduld und Barmherzigkeit.

Dies alles tut Gott für uns. Er allein ist der gute Hirte. An seiner Barmherzigkeit und Geduld sollen wir niemals verzweifeln, wie es so schön in der Benediktsregel heißt. Nur durch ihn kommen wir an frische Nahrung, wenn wir ihm unser Vertrauen schenken und auf seine Stimme hören, die uns ruft.

Wir sind alle Schafe. Das hat auch der Komponist des Allelujas und der Communio nochmal betont, da im Originaltext der Vulgata das Wort Schafe an dieser Stelle nicht steht. Er hat es also bewusst eingefügt und vertont.

Wir alle sind Schafe. Und jeder, der sich zum Hirten macht, stößt den eigentlichen Hirten weg. Er stößt Gott zur Seite. Damit keine Missverständnisse aufkommen: es gibt in einer Schafherde durchaus Leittiere und Hierarchie. Eine Schafherde ist aber kein Patriarchat mit dem Recht des Stärkeren, auch wenn die imposanten Böcke uns das weismachen möchten. Es ist ein Matriarchat in dem die älteren Muttertiere den Ton bestimmen.

Es gibt Tiere, die vorangehen und dem Hirten vertrauen, und es gibt die Skeptischen und alle Formen dazwischen. Es gib diejenigen, die im Alltag Vertrauen haben und in Notsituationen nicht. Und es gibt diejenigen, bei denen es genau anders herum ist. Es gibt diejenigen, die nur mitlaufen, diejenigen, die voranstürmen und diejenigen, die bremsen. Sie alle werden durch den Hirten zusammengehalten. Er kennt uns alle beim Namen und wir kennen ihn. Er hat uns alle im Blick und sorgt für uns.

Wir, die wir hier zusammen sind, gehören – hoffentlich –  zu den Schafen, die dem Hirten mehr vertrauen und auf seine Stimme hören und so andere ermutigen können, es uns gleich zu tun. Durch unser Beispiel und unser Vorangehen. Er führt uns an frische Wasser. Durch ihn bekommen wir Nahrung in Fülle und Schutz in der Nacht. Höre, das ist unser Auftrag. Und nicht zu zaghaft und misstrauisch zu sein gegenüber dem Hirten, sondern vertrauensvoll.

Dann können wir gleich in der Communio voll Freude in das Blöken einstimmen.  Me meae

Wenn er alle seine Schafe hinausgetrieben hat, geht er ihnen voraus und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme. (Joh 10,4)

Der Vierte Ostersonntag wird auch als „Guter-Hirte-Sonntag“ bezeichnet; denn im Evangelium wird das Verhältnis der Jünger zu Jesus mit dem Bild vom Hirten und seiner Herde von Schafen beschrieben. Die Schafe kennen ihren Hirten, sie hören seine Stimme und folgen ihm – im Gegensatz zu einem Fremden, der sich irgendwie Zutritt zur Herde verschaffen will.

Das Bild vom Schafen und seinem Hirten ist uns heute suspekt, wenn es auf den Priester, den „Pastor“, also den Hirten seiner Schäfchen übertragen wird. Da kann etwas von Unmündigkeit und Willenlosigkeit mitklingen, von Schafen, die ohne eigenen Willen gehorsam ihrem Hirten folgen. Dabei sind wir doch in Taufe und Firmung zu mündigen Christen geworden, mit einer unzerstörbaren Würde ausgestattet, gesandt zu einer je unverwechselbaren Aufgabe.

Gerade in der Diskussion um öffentliche Gottesdienste in diesen Tagen, die oft auf öffentliche Eucharistiefeiern reduziert wird, erlebe ich, wie solch ein antiquiertes und der Realität nicht entsprechendes Bild fröhliche Urständ feiert. Da geben die „Hirten“ Richtlinien vor, sprechen von einer „Versorgung“ ihrer Herde. Und es wird vergessen, dass Schafe alles andere als willenlose und unmündige Geschöpfe sind, dass sie durch Taufe und Firmung geistbegabt sind und dass es somit durchaus andere Formen als die pure „Versorgung“ mit Gottesdiensten gibt. Vielleicht lädt uns diese Zeit gerade dazu ein, kreativ zu werden, die eigenen Möglichkeiten zu entdecken, aus einer reinen Versorgungsmentalität rauszukommen hin zu einer echten Kirche der Beteiligung. Dann können wir einander vom „Leben in Fülle“ weitergeben, zu dem Jesus uns alle, Schafe wie Hirten, berufen hat.

P. Maurus Runge OSB

Im kleinen Kreis des Konventes und der engsten Angehörigen haben wir am Donnerstag, den 30. April 2020, um 14.30 Uhr das Requiem für unseren Bruder Gottfried Fölting OSB, der am Sonntagabend verstorben ist, gefeiert und ihn auf unserem Klosterfriedhof zu Grabe getragen. In seiner Ansprache zu Beginn der Eucharistiefeier erinnerte Abt Aloysius an die vielen Aufbrüche im Leben von Bruder Gottfried: den ersten Aufbruch aus der Enge des Mutterschoßes in seiner Geburt am 27. November 1939, fünfzehn Jahre später den Aufbruch nach Meschede zunächst als Schüler des Konviktes, dann als Mönch, den Aufbruch in die Abtei Münsterschwarzach, wo er sein Noviziat und eine Ausbildung zum Schreiner absolvierte. Nach seiner Feierlichen Profess 1960 hat er in unserer Abtei Spuren hinterlassen – in der Konstruktion des Chorgestühls für die neue Abteikirche und im Aufbau der Haustechnik, die er über viele Jahre leitete. Unvergessen sind seine jährlichen Besuche bei den Benediktinerinnen in Kroatien – ein schönes Zeichen ist es, dass die Schwestern dort zur gleichen Zeit wie wir ein Memento für ihn einlegten. Der letzte Aufbruch war wohl in der Osternacht in diesem Jahr, die Bruder Gottfried, schon von Krankheit und Alter gezeichnet, ein letztes Mal bewusst mit uns feierte. Nun ist er angekommen bei dem, den er ein Leben lang ersehnte.

Abt Aloysius bei seiner Ansprache

„Zum Paradies mögen Engel dich geleiten“ – mit diesen Worten begleiteten wir Bruder Gottfried nach dem Requiem auf unseren Klosterfriedhof, wo er unter dem Auferstehungsgeläut der Kirchenglocken zu seinem letzten Weg aufbrechen konnte. Immer wieder erhebend ist es, wenn unter dem Gesang des „Suscipe me, Domine“, den die Mönche bei ihrer Profess singen, der Sarg in die Erde gesenkt wird: Nimm mich auf, o Herr, nach deinem Wort, und ich werde leben; lass mich in meiner Hoffnung nicht scheitern.

Wir vertrauen darauf, dass Bruder Gottfried nun ganz in der Liebe Gottes angekommen ist. Möge er leben in Gottes Frieden!